Trockenperiode

Bis in den September hinein blieb es im norddeutschen Raum für mitteleuropäische Verhältnisse einfach zu trocken. Auf einem so exponierten Ort wie der Halde Haniel hatte das gravierende Auswirkungen.Als ich Anfang September einmal wieder auf die Halde hinaufgegangen bin, wurde ich oben von einem Schwalbenschwanz begrüßt, der reichlich “abgeflogen” über den fahlgelben Hang gaukelte. Mit ihm hatte ich nun wirlich nicht mehr gerechnet und wenn man sich seine ausgeblichenen Farben und zerzausten Flügel so ansah, war klar, dass seine Lebenszeit dem Ende zugeht. Also ließ ich ihn auch weiter in Ruhe und begann, den Hang nach Raupen abzusuchen. Denn sie waren, neben meiner Neugier auf die weiteren Auswirkungen der langen Trockenheit, der Grund für meinen Besuch. Fündig wurde ich nicht. Sicher werden einige weibliche Schwalbenschwänze in diesem Jahr dabei gewesen und somit auch Eier irgendwo abgelegt worden sein. Aber nicht eine der in Frage kommenden Futterpflanzen trug auch nur das kleinste grüne Blättchen an seinem Spross. Alles war eben fahlgelb. Trocken. Tot. Für Raupen war hier oben nichts mehr zu holen. Ich sah mich also anderweitig um.

Der Blick von der Halde ist was für alle, die sich keine Drohne leisten können.

Zunächst blickte ich aber etwas enttäuscht von oben über die Stadt und den Wald um mich herum. Eine irgendwie schimpfend klingende Krähe liess mich über die Schulter blicken. Aha, war ja klar. Nicht sehr weit von mir entfernt saß der Turmfalke wie ich auf dem warmen Haldenboden. Ihn habe ich hier schon ein paar Mal beobachtet. Auf den zweiten Blick erschien er mir dann aber doch irgendwie größer als sonst, und auch die Körperhaltung passte nicht so recht. Als mir klar wurde, dass da ein nicht ganz ausgefärbter Wanderfalke saß, ärgerte ich mich spontan darüber, die Kamera samt Tele noch im Fotorucksack zu haben. Noch während ich den Reißverschluss möglichst leise zu öffnen versuchte, kam der obligatorische Mountainbiker des Weges. Und der Falke wechselte auf die gegenüberliegende Seite des Haldengipfels. Dieser schaut ein wenig aus wie ein erloschener Vulkankrater, und über eben diesen Krater betrachtete ich nun durch das Objektiv den Wanderfalken. Ein schöne Überraschung. Er blieb noch einen Moment sitzen, dann flog er unaufgeregt davon.

Der Falke patroulliert am Kraterrand.
Wir genossen beide den Blick über unser “Revier”.
In der Nähe des Tümpels gab und gibt es noch etwas mehr Grün als an den Hängen.

Den Fotoapparat behielt ich nun in der Hand, während ich in den “Krater” hinabstieg. Tatsächlich war dort im größten Tümpel immer noch etwas Wasser. Viele der sonst hier zu findenden Kleinstgewässer waren hingegen ausgetrocknet.  Und erneut wurde ich überrascht. Über dem Wasser flogen einige Kleinlibellen umher, die immer mal auf Algenklumpen oder aus dem Wasser herausragenden Steinen Platz nahmen. Wespen, Bienen, Käfer und andere Insekten versammelten sich hier ebenfalls. Während sonst die Wasserversorung kein Problem darstellt, konzentriert sich jetzt alles an dieser Wasserstelle. In der Folgezeit konnte ich auch Meisen, Hänflinge und andere Keinvögel hier beobachten. Sicherlich macht diese große Pfütze die Halde auch für größere Vögel wie etwa den Wanderfalken zur Zeit interessant.

Die allgegenwärtigen Krähen suchen auch am Tümpel nach Fressbarem und sonstwie Interessantem.

An diesem Tag waren auffällig viele Greife in der Luft. Das ist freilich nicht immer so. Gut möglich, dass das Wasser die Vögel aber auch herlockt.
Sicherlich kann auch der Naturfotograf in solchen Wetterlagen durch die Gabe von Wasser an einer fotogenen Stelle Motive anlocken und diesen dabei gleichzeitig wirkungsvoll helfen.

Während des gesamten Sommers hörte man ja immer wieder mal, dass etliche Menschen das anhaltend warme Wetter ganz gut fanden. Das überraschte mich nicht, geben ja nicht wenige ihr sauer verdientes Geld dafür aus, eng zusammengepfercht an irgendwelchen Stränden in der Sonne zu braten. Und da über die teils feinen Zusammenhänge von Wetter und Artenvielfalt in der breiten Öffentlichkeit fast nichts bekannt ist und diese mittlerweile größtenteils auch landwirtschaftliche Produkte für selbstverständlich, aber nicht von einem ausgewogenen Sonne-Regen-Verhältnis abhängig wahrnimmt, hörte oder las ich derartige Kommentare emotionslos. Anders verhielt es sich, wenn Journalisten in Zeitungen oder Magazinen, die sich selber eher im anspruchsvolleren Segment sehen, mit unsagbar dämlichen Artikel aufwarteten. So wurde der Leserschaft einer Tageszeitung dargelegt, dass es schon früher derart heiße Sommer gab. Toll recherviert. Da konnte einer Temperaturstatistiken lesen. Respekt. Das in diesen Sommern regelmäßig donnernde Gewitter entstanden, die dann auch Wasser entluden, und zwischendurch auch andere Regentage eingestreut waren, steht aber nicht in Temperaturtabellen. Hohe Temperaturen allein stellen ja erstmal kein gravierendes Problem dar. Aber eben völlig ausbleibender Regen. Das Berufjournalisten nicht die Fähigkeit haben, diesen Unterschied zu sehen und entsprechend zu kommunizieren, ist Besorgniserregend.

Hier gab es in diesem Jahr eher keinen Kreuzkrötennachwuchs.

Ich habe diesen Sommer jedenfalls an unterschiedlichen Orten für Kreuzkröte, Gelbbauchunke, Heidekraut, Lungenenzian und meine Schwalbenschwänze hier auf der Halde als großes Problem erlebt. Es mutet auch merkwürdig an, dass Birken Ende August nochmal blühen und das Weidenröschen Ende September nordfranzösische Autobahnen mit ihren pinken Blüten säumen. Aber nein, alles gut. Es gab ja schon immer mal heiße Sommer.

Eine Ödlandschrecke zwischen angehäuftem Geröll. Sogar diese wärmeliebende Art schien den Schatten der kleinen Spalten zu schätzen.
Gegen Abend waren die Tiere am aktivsten.

Neben all den Arten, die mit dem Sommer ihre liebe Not hatten, gab es auch solche, die davon profitierten. Als Meister der Tarnung sind Ödlandschrecken erst auszumachen, wenn sie vor einem abspringen und mit ihren Flügeln ein Stück durch die Luft gleiten. Sie fand ich recht zahlreich bei meinem Gang über den Haldengipfel, aber auch nur dort, wo einige Pflänzchen wuchsen. Denn auch sie können von der warmen Sonne allein, die sie durchaus schätzen, nicht überleben. Sie brauchen auch was zum futtern. Anders als wir können sie sich Obst und Gemüse nicht aus Chile oder Australien einfliegen lassen. Ich vermute, sie wissen daher auch einen guten Sommerregen zwischendurch besser zu schätzen.

 

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