Ein Gastbeitrag von Tatjana Senz
Die Natur ist so ein wertvolles Gut und doch leidet sie. Umso wichtiger ist es mir persönlich, das, was ich so sehr liebe, nicht zu stören oder gar zu zerstören. Mich achtsam und respektvoll in der Natur zu bewegen, ist daher eine meiner obersten Prioritäten. Das bedeutet für mich, dass all meine Fotos ohne jegliche Manipulation und unbeeinflusst entstehen. Wenn ich von der Tierwelt als Einheit und nicht als Störfaktor oder Gefahr betrachtet werde und ich somit Teil einer kleinen eigenen Welt sein darf, ist dies für mich das größte Geschenk.
Hierbei kommt es mir nicht einmal darauf an, dass es eine besonders begehrte Pflanzen- oder Tierart ist, die ich ablichte. Jedes Tier, jede noch so unscheinbare Pflanze hat die Macht, zu etwas Besonderen zu werden. Der Schlüssel liegt in meinen Augen darin, wie sehr man sich auf das Gesehene einlassen kann. Achtsam, respektvoll und authentisch hergestellte Fotos erobern daher vorrangig immer mehr mein Herz und ich möchte auch selbst nur unter genau diesen Bedingungen meine Sicht auf das Gesehene und Erlebte darstellen und transportieren.
„Blässhuhn auf Eis“ – Hier habe ich in der Dunkelheit ausschließlich das noch abstrahlende Laternenlicht in einem Stadtpark genutzt. Ich verwende bisher in der Fotografie nur natürliches oder bereits vorhandenes künstliches Licht.
Canon EOS R6 Mk II, Canon RF 600/4.0 L IS USM mit Canon 1,4 III Konverter, 840 mm, f/5.6, 1/320 ISO 8000
Doch was bedeutet das konkret? Für mich bedeutet es zunächst einmal, dass ich mich zurückzunehme, lediglich ein Beobachter bin und damit das, was ich sehe, auf mich wirken lasse. Alle Elemente – Habitat, Wetter, Lichteinfall, Geräusche, Gerüche, Interaktion, Verhalten und Vegetation – in Einklang zu bringen.
Manche Bilder, die ich vor meinem inneren Auge visualisiert habe, kann ich so erst Jahre später realisieren. Manche Bildideen werde ich auch nie umsetzen können, was allerdings vollkommen in Ordnung ist. Und manches Mal entstehen Bilder, wie ich sie mir nicht schöner in meinen Gedanken hätte ausmalen können.
„Höckerschwan im Flug“ – Die Lichtstimmung der gerade erst durchbrechenden Sonne am Morgen war einfach grandios. Dieser Schwan flog direkt auf mich zu, dennoch war es mir wichtig, auch den Hintergrund einzufangen. Denn nur dieses Zusammenspiel hat für mich ein stimmiges Gesamtbild ergeben.
Canon EOS R6 Mk II mit Canon RF 600/4.0 L IS USM mit Canon 1,4 III Konverter, 840 mm, f/6.3,1/1250, ISO 200
Natürlich habe auch ich einen gewissen Anspruch an mich. Der liegt aber nicht darin, das perfekt belichtete, perfekt scharfe Foto mit unfassbarer Nähe zum Tier oder zur Pflanze zu erstellen. Ich selbst bin zufrieden, wenn ich es schaffe, die wahrgenommene Stimmung des Augenblicks zu transportieren. Das erfordert Geduld.
„Silberreiher im Gegenlicht“ – Geht nicht, gibt es bei mir nicht. Immer wieder probiere ich mich sogar in Situationen aus, die unüberwindbar erscheinen. So wie hier. Der Silberreiher ist direkt in die Richtung der gerade erst aufgegangenen Sonne geflogen. Dieser Lichtkreis ist somit vollkommen natürlich entstanden und auch hier ist das kaum sichtbare Habitat ein mir willkommener Mitspieler.
Canon EOS R6 Mk II mit Canon RF 600/4.0 L IS USM mit Canon 1,4 III Konverter, 840 mm, f/5.6 1/1000 ISO 4000
Habitate suche ich meist in der Nähe meines Wohnortes auf, denn nur durch regelmäßige Besuche der unterschiedlichsten Habitate, lernt man diese kennen, weiß ganz genau, wo die einzelnen Ansitze und bevorzugten Aufenthaltsorte der Tiere sind. Nähe zu einem Tier baue ich selbst nur sehr selten aktiv auf. Es erfüllt mich innerlich viel mehr, wenn ich ruhig irgendwo verharre und die Tiere selbst auf mich zukommen. Erst wenn ich lange genug durch intensives Beobachten ein Gespür für die jeweilige Tierart erlangt habe, kann ich beurteilen, ob ich mich aktiv nähern kann oder einfach das gesamte Habitat so akzeptiere, wie es ist.
„Morgenstimmung“ – Es ist derselbe Morgen, an dem mein Bild vom Höckerschwan entstanden ist, nur dass es hier die Gänse sind, die durch die Lüfte ziehen. Obwohl es eine enorme Distanz zu den Akteuren gab, lebt dieses Bild vom Einbinden des Umfeldes. Man muss also nicht zwangsläufig Nähe zu den Tieren aufbauen, um solch eine Stimmung einzufangen.
Canon EOS R6 Mk II mit Canon RF 600/4.0 L IS USM mit Canon 1,4 III Konverter, 840 mm, f/6.3, 1/1250, ISO 100
So habe ich sogar schon manches Mal ganz neue Ideen für meine Bildkomposition entwickelt. Ebenso tarne ich mich nur sehr selten, viel lieber nutze ich bereits vorhandene Tarnung, die die Natur selbst geschaffen hat, beispielsweise in Form von Gras, Bäumen, Hecken und kleinen Hügeln.
„Versteckter Graureiher“ – Graureiher an einem Stadtteich. Da er trotz des Umfeldes sehr empfindlich auf Menschen reagiert hat, habe ich mich hinter eine Trauerweide begeben und diese einfach in das Bild mit integriert. Nur so konnte ich dann auch eine erfolgreiche Fischjagd beobachten.
Canon EOS R6 Mk II mit Canon RF 600/4.0 L IS USM, 600 mm f/7.1, 1/2500, ISO 800
Spielt gutes Equipment eine Rolle?
Ich gestehe, ich liebe mein Canon EF 600/4.0. Für mich war es das größte Geschenk, das ich mir selbst machen konnte. Gerade wenn man achtsam in der Naturfotografie vorgehen möchte, sind lange Brennweiten von Vorteil. Man selbst kann sich zurücknehmen und überdenkt seine Bildgestaltung. Ich bin dennoch der Meinung, dass ein sehr teures Objektiv kein Muss ist, um ansprechende Bilder zu gestalten. Es ist ohne Frage eine Erleichtung, weil man eben nicht mehr so abhängig von den vorherrschenden Lichtverhältnissen ist. Aber um einen Transport des Gesehenen zu erzeugen, bedarf es nicht unbedingt des so sehr angestrebten „Perfektionismus“. Ich selbst habe das für mich in den vergangen Jahren nur zu gut und bereitwillig gelernt.
„Pfuhlschnepfe im Morgenlicht“ – Für meine Verhältnisse mal ein recht eng zugeschnittenes Bild, da der Hintergrund ziemlich unruhig war und von der Stimmung ablenken würde. Die Sonne war an diesem Morgen noch nicht ganz aufgegangen, sodass ich bereits am Spot entschieden habe, lediglich die im Scherenschnitt klar erkennbare Form der Pfuhlschnepfe im Morgenrot darzustellen.
Canon EOS R6 und Canon RF 600/4.0 L IS USM, 600 mm, f/4, 1/3200 ISO 100
Meine persönlichen ethischen Grundsätze
Nun noch ein paar weitere Worte zu meinen persönlichen ethischen Grundsätzen, insbesondere im Bereich der Vogelfotografie: Ich achte darauf, kein vorhandenes Habitat zu beschädigen und versuche mein Bestes, um Störungen in einem Gebiet zu vermeiden. Ich wahre Distanzen, erst recht dann, wenn es um das empfindliche Brutgeschäft der Vögel geht. Lieber fange ich zu gestalten an, binde Habitat mit ein oder nutze es sogar gezielt als Bildelement. Das kann z.B. der belaubte Baum im Vordergrund sein und die Suche nach einer vorhandenen Sichtlücke zwischen Ästen und Blättern, die genau diesen einen heimlichen Blick auf das Geschehen freigeben.
Ich selbst spiele keine Locktöne ab, lege kein Futter aus oder drapiere gezielt Äste, nur damit ich eine Tierart frei von jeglichen störenden Bildelementen ablichten kann. Ich habe Geduld, beobachte, setze mich mit dem Verhalten der Tiere auseinander und erlerne es idealerweise. Dann akzeptiere ich das, was ich sehe, mit all den kleinen Hindernissen, die die Natur für mich bereit hält. Häufig mache ich mir diese Hindernisse sogar zu nutze. Ein und denselben Spot besuche ich immer mehrfach. Alleine die unterschiedlichen Jahreszeiten können schon zielführend sein auf der Suche nach einem gelungenen Motiv. Der Baum, der im Frühjahr noch in voller Blüte stand, ist im Winter frei von Laub und schon kann man einen Vogel freigestellt ablichten, wenn man dies denn als Motiv im Kopf hatte.
Ich beobachte aufmerksam und ziehe mich sofort zurück, wenn ich merke, dass sich ein Tier durch meine Anwesenheit gestört fühlt.
„Sanderling im Glitzermeer“ – Ich konnte erstmalig an der Küste einen unruhigen Trupp Sanderlinge beobachten. Sie standen als Fotomotiv schon ewig auf meiner persönlichen Wunschliste. Der Trupp hat sich bei der Nahrungssuche immer wieder von den morgendlichen Spaziergängern, so auch von mir, von seiner üblichen Route abbringen lassen. Also habe ich ihr Verhalten eine Weile beobachtet, mich einfach weiter entfernt in die Laufrichtung der Sanderlinge in den Sand gelegt und mich ruhig verhalten. Streckenweise kamen sie mir dann sogar so nah, dass sie meine Naheinstellgrenze unterschritten haben. Ein Moment, den ich nie vergessen werde, und der aufzeigt, wie wichtig es ist, das Verhalten der Vögel zu beobachten und achtsam darauf zu reagieren. Sie entscheiden dann vollkommen eigenständig, ob und wie viel Nähe sie zulassen. Und genau das empfinde ich jedes Mal als Geschenk.
Canon EOS R6 mit Canon RF 600/4.0 L IS USM 600 mm, f/5, 1/800, ISO 800
Ich gehe ganz offen mit meinen Aufnahmeparametern um. Zum einen unterstreicht dies die Authentizität meiner Bilder, zum anderen kann es lehrreich sein, ein gesundes Gespür für die tatsächlichen Distanzen zu entwickeln. Genauso kann man mit der Offenlegung der Aufnahmedaten selbst z.B. auch eine tolle Inspirationsquelle für andere Fotografen sein. Nur selten lassen sich Bilder, eins zu eins nachahmen, warum also Angst davor haben? Und selbst wenn, werde ich es auch überleben. In dem Fall freue ich mich, wenn ich Impulsgeber für neue Ideen und Herangehensweisen gewesen bin.
Über mich
Mein Name ist Tatjana Senz und das Kreative hat mich schon immer begleitet, ob in der Malerei oder, wie nun schon seit Jahren, in der Fotografie. Ich habe erstmalig vor vielen Jahren als Produktesterin unterschiedlichster Produkte eine Kamera in den Händen gehalten und hatte keine Ahnung von der Technik, so dass ich mir alles selbst beigegebracht habe, damit ich die Produkte repräsentabel darstellen wollte. Die Liebe zur Naturfotografie kam erst 2018/2019. Mit meinem bisherigen Equipment bin ich jedoch für dieses Themengebiet an meine Grenzen gestoßen, so dass ich diese Liebe erst seit dem Kauf des Canon EF 600mm f/4L IS III USM im Jahr 2021 vollends ausleben kann. Warum dieses Objektiv? Ich war schon immer in die Festbrennweiten von Canon verliebt. So hatte ich zuvor das Canon EF 400mm f/5.6 L USM. Da ich aber gerade die frühen Morgenstunden in der Fotografie nutze, war ich auf eine lichtstarke Linse mit ordentlicher Brennweite angewiesen, um so meinen eigenen, wachsenden Ansprüchen gerecht zu werden. Ich liebe dieses Objektiv, weil ich mich durch die Lichtstärke und das damit einhergehende tolle Bokeh erst so richtig entwickeln und meinen eigenen Stil finden und festigen konnte. Würde ich mit einem Canon RF 600/4.0 L IS USM tauschen? Ich glaube schon, dass das schnellere und besser abgestimmte Fokussystem mit den spiegellosen Kameras von Canon absolute Vorteile hätte, da ich aber bei einem Tausch zu viel finanziellen Verlust hinnehmen müsste, bleibe ich meinem geliebten EF treu. Diese Linse ist das schönste Geschenk, das ich mir selbst machen konnte. Dank der Canon EOS R6 Mark II besitze ich so eine unfassbar schöne Kamera-Objektiv-Kombination, die mich noch immer glücklich macht und zufrieden stellt.
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