Neue Impulse

Wie viele andere auch bin ich Anhänger der Theorie, das man im heimischen Fotorevier zu den besten Ergebnissen kommen kann, da man es einfach besser kennenlernt. Es kann aber auch passieren, dass man in vertrauter Umgebung bald eingefahrene Wege geht.Mir ist das vor ein paar Wochen aufgefallen, als ich meine GDT-Kollegen und Fotokumpels Thomas Scheffel und Sebastian Vogel aus Bingen/ Mainz einmal mit an den Niederrhein genommen habe. Wie ich es aus den vergangenen Jahren halt so gewohnt bin, habe ich zu Beginn unserer Fotoexkursion versucht, ein paar Bläßgänse zu finden, die wir bequem aus dem Auto heraus fotografieren können. Diese Methode ist bei den Gänsen sicher die sinnvollste, da die Vögel sich grundsätzlich an die Autos als fahrende Tarnzelte gewöhnt haben. Aus meinem kleinen Twingo heraus habe ich zudem auch noch eine ganz nette Perspektive. Sprich: sie ist relativ flach, da ich relativ niedrig sitze. Nachdem wir eine Weile einem Trupp beim Fressen zugesehen haben, fiel uns auf, dass sich die Vögel von den Radfahrern und Passanten nicht sonderlich stören liessen, die stets vorbei kamen. Der Trupp hatte sich nämlich inmitten einer kleinen Ortschaft niedergelassen, um auf einem von Wohnhäusern umzingelten Wiesengrundstück zu äsen. Wir kamen zu dem Schluß, dass sie das wohl tun, weil sie hier nicht nur an Autos, sondern auch an die Menschen gewöhnt sind. Also stiegen wir aus. In der Tat veranlasste dies die Gänse in keiner Weise, davonzufliegen. Als ich nun auf dem Boden liegend meine Bilder machte, merkte ich, das meine vorherige Perspektive aus dem Twingo tatsächlich nur relativ flach war.

Oben blieb nicht viel Raum im Bild, wollte man nicht Häuser und reflektierende Karossen in den Hintergrund bekommen.

Ohne den beiden Kollegen wäre ich vielleicht nicht in diese Arbeitsposition gekommen, da ich mit dem jahrelang erprobten Weg zufrieden war und gar nicht auf die Idee gekommen wäre, etwas zu ändern. Obwohl ich mich anderswo recht schnell und gerne auf dem Boden herumwälze. Die Gänse wurden ja nicht gestört und zu Bildern kam ich auch. Genau das war jetzt auch der Fall, aber zusätzlich entstanden durch die flache Perspektive doch etwas unterscheidbare Bilder. Dies ist ein einfaches Beispiel dafür, wie andere Fotografen helfen können, das eingefahrene und gewohnte aufzubrechen.

Hier war der Hintergrund besser und nun waren auch Bilder landender Bläßgänse möglich.

An einer anderen Stelle konnten wir ebenso vorgehen und flach auf dem Boden liegend fotografieren, da die Gänse ziemlich weit von uns entfernt waren und so Fotografen außerhalb des Fahrzeugs tolerierten. Aber wie sagten Thomas und Sebastian doch gleich so treffend: “Heute fotografiert man Tiere eh klein im Bild”.

Es ist freilich für den Fotografen nicht immer angenehm, dem Bildbetrachter eine Begegnung auf Augenhöhe zu ermöglichen. Aber etwaige Strapazen wie kalter Boden und steifer Nacken lohnen sich.
Wenn man über eine halbe Stunde auf winterlichem Boden herum liegt, ist es nett, auch mit ungewöhnlichen Erlebnissen belohnt zu werden. Die Füchse wären vielleicht nicht vorbei gekommen, wenn wir gestanden hätten. Natürlich kam aber auch der Wind sehr günstig und die beiden waren wohl abgelenkt.

Die Perspektive hat aber natürlich auch ihre Tücken, denn schnell bekommt man störende Elemente in den Hintergrund. Schafft man es aber, einen ruhigen und in die Ferne weich verlaufenden Hintergrund zu finden, haben die Bilder eine etwas intimere Ausstrahlung als die aus dem Auto heraus. Allerdings geht das flache arbeiten ganz schön zu Lasten des Nackens. Und kalt ist der Boden auch noch…

Die Gänse fliegen bis in die Dunkelheit hinein zwischen den Wiesen und den Schlafplätzen hin und her.

Ich fotografiere gerne mit anderen zusammen, da ich den Eindruck gewonnen habe, dass alle voneinander profitieren. Man sieht gemeinsam mehr, man bekommt den anderen Blick des Kollegen vermittelt, bekommt neue Idee und man hält sich gegenseitig bei Fotolaune. Fotokollegen, die ein Gebiet zum ersten Mal besuchen haben auch vielleicht einen anderen Blick auf das Ganze, empfinden eine andere emotionale Stimmung. Das kann immer ein neuer Impuls für einen selbst sein, die wohlbekannte Region oder gar die zutiefst vertraute Heimat auch einmal mit anderen Augen zu sehen und so für sich neu zu entdecken.

Die Sensorflecken sind Bläßgänse.
Mit Verschlußzeiten von 1/60 Sek. bis zu 1/13 Sek. muss man die Kamera schon sehr ruhig mitführen…und so oft es geht auslösen.
Gerade wenn die Vögel weiter entfernt sind, empfiehlt es sich, verwischende Strukturen in das Bild mit einzubeziehen.

Gegen Abend wurde es dann ziemlich kalt, aber dennoch wollten wir bis in die Dunkelheit hinein fotografieren, da sich dann ja ganz andere Aufnahmen machen lassen. Hier wurde klar, dass wir alle drei durch die vielen Bilder anderer Fotografen, die wir wohl immer wieder anschauen und durch all die Fotofreunde, mit denen man sich ab und an zum fotografieren trifft, hinreichend inspiriert wurden. Das sich heute Naturfotografen so rege austauschen und gemeinsam fotografieren, ist sicher einer der schönsten Aspekte an der gegenwärtigen Naturfotoszene. Staffan Widstrand meinte einmal zu recht “meet the locals”. Das hiflt, vor Ort Motive zu finden. Um die eigene fotografische Entwicklung voranzutreiben, ist es sicher sinnvoll, einen regen Austausch mit Gleichgesinnten zu betreiben und dabei auch die Jüngeren nicht aus den Augen zu verlieren. Daher würde ich sagen ” triff dich mit Kumpels.”

Das letzte Bild des Tages.
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6 thoughts on “Neue Impulse”

    1. Es ist ja nicht so, dass das, was lange Zeit gut funktioniert und Spaß bereitet, irgendwann nichts mehr wert ist. Aber man kann sicher die Palette des zu Erlebenden und zu Fotografierenden regelmäßig auf einfache Weise erweitern. Die Aue in Mülheim bietet ja so einiges, ich wünsche weiter viele gute Bilder

    1. Stimmt. Es muss nicht unbedingt ein anderer Fotograf mitkommen, es kann auch schon helfen, sich ab und an die Werke Anderer anzuschauen, sogar Maler und Zeichner sind da manchmal ganz inspirierend.

  1. Hey Markus,schöner Bericht und tolle Bilder. Teilweise kommen sie mir bekannt vor 😉 Da sieht man das Naturfotografie auch im Team möglich ist. Der unvoreingenommene Blick wenn man das erste mal eine Location besucht in Verbindung mit den Locals ist mit Sicherheit eine gute Mischung. Das gegenseitige inspirieren, gemeinsame entwickeln von Bildideen und der ein oder andere Blick auf das Display der Kollegen sind alles positive Aspekte die man gerne mitnimmt wenn man gemeinsam auf Tour ist.
    lg Sebastian

    1. Hallo Sebastian, schön dich hier zu begrüßen. Auch wenn dir die Bilder folgerichtig bekannt vorkommen, ist es dennoch interessant, dass sie sich sowohl in Nuancen als auch grundsätzlich immer wieder mal unterscheiden. Das kann ich so sagen, da ich deine Bilder auf deiner Seite natürlich auch schon gesehen habe. Vielleicht nicht ganz unwichtig zu erwähnen, wenn man für das fotografieren in der Gruppe spricht. Bis zum nächsten Winter also.
      Viele Grüße Markus

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