Geht nicht? Gibt’s nicht!

Ein Gastbeitrag von Maik Winkler

Normalerweise gilt die Aussage “Geht nicht, gibts nicht”, jedoch gibt es im Leben einschränkende Umstände, die man erstmal überwinden muss. Wenn man als Wildlife-Fotograf mit einem Handicap alleine unterwegs ist, kommt man in Situationen, die man erstmal bewerkstelligen muss, die man aber ohne Hilfe anderer kaum bewältigen kann. Seit 1992 befinde ich mich aufgrund einer Querschnittslähmung im Rollstuhl und würde mich als optimistischer Lebenskünstler charakterisieren. Durch die technische Revolution digital erstellter Bilder, erreichte meine Leidenschaft für Fotografie ihren Höhepunkt. Das Warten und Wegbringen analoger Filme war für mich immer eine Bremse. Die EOS 300D, eine der ersten digitalen Kameras, brachte eine neue Art des Fotografierens mit sich, was ich immer vermisste: Bilder direkt sehen und präsentieren können. Als Fashion-/Portrait-Fotograf gab es damals nicht viele Schwierigkeiten, da die Mehrheit der Arbeit im Studio erledigt wurde. Oftmals waren viele Visagisten und Stylisten vor Ort und boten somit stets Unterstützung.

Nach vielen Jahren in diesem Bereich änderte sich mein Interesse durch meine Naturverbundenheit in Richtung Wildlife. Immer öfter wurde meine Kamera, damals eine EOS 5D MK I inkl. Canon EF 70-200, zum ständigen Begleiter und mein Fokus auf das Festhalten von besonderen Momenten/Motiven war gelenkt. Das nun größte Problem war das Gelände. Meine Wege beschränkten sich auf Fahrradwege und maximal schmale Wiesenwege, die so belaufen waren, dass ich mich dort fortbewegen konnte. Im Nachhinein frage ich mich, wie ich diese Tortur täglich gemeistert hatte. Mit der Kamera auf dem Schoß war ich so also einige Jahre in begrenztem Umfeld am Main unterwegs und konnte ein paar wirklich klasse Aufnahmen vom Eisvogel machen, der mich seither in seinen Bann gezogen hat.

Während eines Klinikaufenthaltes hatte ich das erste Mal die Gelegenheit, ein E-Bike zu testen. Durch Anspannen eines Rades an den vorhandenen Rollstuhls konnte man nun auf den beiden hinteren und dem manuell angetriebenen vorderen Rades erstmals längere Strecken und auch leichtes Gelände bewältigen. Die dadurch resultierende Reichweite war natürlich ein absoluter Mehrwert für mich. Ziel war es, den Wald und das komplette Mainufer entlang zu erkunden. Hier zeigte sich leider sehr oft, dass ich alleine einfach nicht an Orte kam, an die man als Fußgänger einfach mal hinspaziert, um sich z.B. in Bodennähe einem Tier anzunähern. Zu dieser Zeit war gerade der Trend mit den E-Bikes im Kommen und gespannt verfolgte ich das Thema mit und hatte schon erste Ideen im Kopf, wie ich wohl mein vorhandenes manuelles Bike so umbauen konnte, um viele Hürden zu meistern.

An diesem Punkt angekommen hatte ich eine EOS 5D MKII mit einem Tamron 150-600 wie die meisten Wildlife-Fotografen zu der Zeit. Tag für Tag wurden meine Strategien und Möglichkeiten neu ausgetestet, mit manchmal mehr oder weniger Erfolg. Mein Equipment erweiterte sich um eine EOS 5D MK IV und ein gebrauchtes EF 600 F4 IS USM (1. schwere Version). Zufriedenstellend war allerdings anders. Genau da, wo ich nicht hinkam, waren meist die Eisvögel zu hören, und wenn ich sie sah, konnte ich nicht schnell genug mit dem schweren Objektiv reagieren. Lange Zeit war ich trotzdem von dieser Kombination angetan und immer wieder begeistert von der Qualität der Fotos. Durch einen guten Freund wurde ich auf eine Firma aufmerksam, die geländegängige E-Bikes für Rollstuhlfahrer herstellte. Glücklicherweise konnte ich so ein Bike leihweise für ein paar Wochen testen und war mehr als begeistert. Genau zu dieser Zeit wechselte ich zu der EOS R5 mit Tieraugenfokus und einem RF 100-500/4.5-7.1 L IS USM Objektiv.

Mit dieser Kombination aus geländegängigem E-Bike und traumhafter Wildlife-Kamera/Objektiv-Kombination machte es soviel Spaß, täglich aufs Neue rauszugehen, um die fliegenden Schönheiten zu finden und bestenfalls direkt abzulichten. In dieser Zeit perfektionierte ich meine Vorgehensweise durch Tarnung und Beobachtungen verschiedenster Gebiete.

Dank guter Freunde gab es wenige Grenzen und ohne diese großartige Unterstützung wäre ich nicht soweit gekommen. Ohne zu zögern hätten sie mich auch in einen Bach gelegt für das perfekte Foto, aber das ging mir dann doch zu weit.

Mein jetziges Setup besteht aus einer EOS R5 mit einem EF 600 F4 IS USM (2. Version). Es macht so viel Spaß mit dieser Kombination auf Tour zu gehen. Klar muss man Abstriche machen mit der riesigen und schweren Festbrennweite, aber wenn man sich an die Arbeitsweise gewöhnt hat, wird man mit top Schärfe und feinstem Bokeh der Freistellung belohnt. Gerade freihändig übernimmt der Stabilisator sowohl beim RF 100-500/4.5-7.1 L IS USM als auch beim EF 600 F4 die Kontrolle und sorgt für ein ruhiges Bild. Für längere Beobachtungen mit dem doch 3920 Gramm schweren Objektiv hatte ich mir eine art Gelenk konstruiert und 3D gedruckt. Das ermöglichte mir ein aufgestütztes und bewegungsfreies Arbeiten ohne Anstrengungen. Finde ein Stativ zu einschränkend und hatte dadurch schon zu viele Momente um mich herum verpasst. Dank der hohen Lichtstärke von Blende 4 macht das Arbeiten auch mit dem 1,4-er Extender und den dadurch resultierenden 840 mm viel Spaß. Es ist immer wieder eine Herausforderung, den pfeilschnellen Eisvogel im Flug perfekt zu erwischen.

Es ist schon eine sehr eingeschränkte Arbeitsweise im Rollstuhl, aber nicht unmöglich und gerade das lässt mich Tag für Tag auf neue Abenteuer und spannende Momente hoffen.

Maik Winkler

www.maikwinkler.de
www.Delightfully-Arts.com
www.DrangzumHang.de
www.Steckerform.de

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