Kamtschatka – im Reich der Vulkane und Bären

Mit ohrenbetäubendem Dröhnen startet der Hubschrauber vom Typ MI-8 in einem Vorort von Petropavlovsk-Kamtschatski, der Hauptstadt Kamtschatkas. Der reichlich einstündige Flug in die Wildnis beginnt. Schon allein der Flug in dem Großraum-hubschrauber aus Sowjetzeiten ist ein Abenteuer. Langsam werden die Häuser unter uns immer kleiner und bald verschwinden auch die letzten Felder und Wege aus dem Sichtfeld. Hohe vergletscherte Vulkane, Flusstäler und verschneite Berge lösen die Zivilisation ab, welche wir hinter uns lassen. Während wir Richtung Norden zum Kronotsky-Reservat unterwegs sind, stößt ein Vulkan eine kleine Aschewolke aus. In der Ferne ist der Pazifik zu sehen. Nach etwa 250 km Flugstrecke erreichen wir den Kronotsky-See, an dessen Ufer der 3527 m hohe Kronotsky-Vulkan steht. Außer ein paar kleinen Holzhütten der Ranger gibt es hier keine menschlichen Strukturen mehr. Die nächste Siedlung ist über eine Woche zu Fuß entfernt, Wanderwege gibt es nicht – wir sind in der Wildnis angekommen.

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Mit dieser MI-8 von Vitjas-Aero ließen wir uns 250 km entfernt von der Hauptstadt in der Wildnis absetzen.

Diesen Sommer konnte ich bereits das zweite Mal nach Kamtschatka reisen. Die privat organisierte Reise führte uns ein paar Tage nach Südkamtschatka an zwei Vulkane und anschließend zwei Wochen in das Kronotsky-Reservat. Nach Kamtschatka kommt man mit einem fast 9 Stunden andauernden Inlandsflug von Moskau. In Kamtschatka selbst ist das Reisen sehr beschränkt möglich, da es kaum Infrastruktur gibt.

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Mit zwei leichten schneetauglichen Allradfahrzeugen waren wir zwei Tage in Südkamtschatka unterwegs.
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Ausgediente Militärfahrzeuge aus Sowjetzeiten dienen als Fortbewegungsmittel für Touristen, um in die Wildnis zu kommen.

Auf der Halbinsel leben auf einer Fläche größer als Deutschland etwa 400.000 Menschen. Straßen sind weitestgehend Schotterpisten oder einfach nur Fahrspuren im Feld. Viele Orte sind selbst mit sehr geländegängigen Allradfahrzeugen über den Landweg nicht erreichbar, so dass man mit Hubschraubern fliegen muss, um größere Strecken zu überwinden. Ist man dann erstmal in der Wildnis, geht es nur noch zu Fuß weiter. Wanderwege gibt es nur in den seltensten Fällen. Ab und zu freut man sich über einen Bärenpfad in der Landschaft, der sich besser laufen lässt. Im Gepäck ist alles, was man für die Tour draußen braucht, angefangen bei der Bekleidung für alle Wettersituationen und Temperaturen, einem Zelt, Kocher und Benzin, Essen Wasser und allen nötigsten Utensilien. Mein Rucksack brachte 27 Kg auf die Wage. Die Fotoausrüstung ist mit 5 Kg für Kamera, Weitwinkelobjektiv, Makroobjektiv, Teleobjektiv, Stativ und Akkus auf ein Minimalgewicht reduziert.

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Fumarole mit Schwefel im aktiven Krater des Mutnovsky-Vulkans.
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Der Kronotsky-Vulkan erhebt sich mit 3527 m majestätisch über der Tundra.

Was Kamtschatka so besonders macht, ist die unberührte Natur, die man in weiten Teilen der Halbinsel finden kann. Hunderte Vulkane von denen etwa 30 aktiv sind, prägen die Halbinsel. Vielerorts begegnet man Tieren, die zuvor noch keine Erfahrung mit Menschen gemacht haben. Sie sind oft weder scheu noch aufdringlich. Es scheint vollkommen selbstverständlich zu sein, dass einem ein wilder Fuchs bis auf wenige Meter vor die Füße gelaufen kommt, um neugierig zu schauen, was da fremdes auf der Tundra steht. Ebenso gibt es noch viele Regionen, in denen man ohne Probleme zelten kann, während Kamtschatka-Braunbären um einen herum laufen. Abseits der Zivilisation haben sie noch keine Erfahrung gemacht, dass es in den Zelten der Menschen etwas zu fressen gibt und suchen auch nicht danach (vorausgesetzt, es riecht nicht besonders gut nach essen). Jeden Tag begegnet man Bären und anderen Tieren beim Wandern. Da draußen scheint die Welt noch in Ordnung zu sein.

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Rotfuchs im Schnee.
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Junger Kamtschatka-Braunbär auf der Tundra.
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Die Tundra leuchtet im letzten Abendlicht.

Dass Kamtschatka touristisch so wenig erschlossen ist, liegt einerseits an der sehr dünnen Besiedelung des Landes, aber auch daran, dass die Halbinsel bis 1990 für Touristen gesperrt war, da die Region militärisches Sperrgebiet war. Selbst Bürgern der damaligen Sowjetunion war es nur mit Sondergenehmigung erlaubt, nach Kamtschatka zu reisen. Heute ist das Militär immer noch präsent, jedoch kaum noch ein so großer Arbeitgeber, wie früher. Neben der Fischerei gibt es heute nicht viel Arbeitsmöglichkeiten vor Ort, wodurch viele Menschen arbeitslos sind und die Region verlassen. Neben den gesellschaftlichen Umständen ist das Klima sehr rau. Die Winter sind Lang und heftig. Mancherorts schneit es etwa 20 m pro Winter. Die Menschen vor Ort haben sich jedoch gut an die Bedingungen angepasst.

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Zwielicht am Kronotsky-Vulkan.
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Ein Kamtschatka-Braunbär wartet an einem Fluss auf die Lachse.
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Selbst im Sommer ist der See am Kizimen-Vulkan noch teilweise vereist.

Nach einer wunderbaren und eindrucksvollen Reise dieses Jahr steht für mich fest, es war nicht meine letzte Reise dort hin!

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Der aktive Kizimen-Vulkan stößt ätzende Schwefelgase aus.

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Autor

Ich bin Christian-D. Morawitz (*1991), bin Ingenieur, arbeite und lebe in Dresden und betreibe Naturfotografie mit Leidenschaft. Dabei befasse ich mich einerseits mit wilden Gegenden wie Kamtschatka, auf der anderen Seite ist auch die Natur vor der Haustür ein großer Arbeitsschwerpunkt. Aktuelle Fotos und Projekte sind auf meiner Homepage zu finden:

www.nature-and-light.de

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