An der Nordsee herrscht ein großer Artenreichtum an Vögeln. Neben sehr vielen verschiedenen Brutvogelarten tauchen zur Zugzeit auch mal seltenere Gäste auf. Ganzjährig kommt es dort sogar immer mal wieder zu Ausnahmeerscheinungen aus anderen Ländern und Kontinenten. Da lohnt es sich, die Augen offen zu halten, um vielleicht mal wirklich seltene Motive vor die Kamera zu bekommen. Ich hatte nun ein ganzes Jahr die Gelegenheit dafür, indem ich einen freiwilligen Dienst für den Naturschutz an der Nordsee leistete. Stationiert war ich in Schlüttsiel im Hauke-Haien-Koog, dessen größere Umgebung mein Anlaufpunkt war, um seltene Vogelarten zu fotografieren.
Es ging auch direkt gut los mit einem Odinshühnchen aus Skandinavien und einem Braunen Sichler, der eigentlich viel weiter südlich lebt und sich verflogen hatte. Von beiden war es aber leider unmöglich ein gutes Foto zu machen, denn sie befanden sich mitten im Vogelschutzgebiet und der Naturschutzgedanke und die Ungestörtheit der Vögel sollte immer im Vordergrund stehen, weshalb ich das Gebiet nicht betrat, um ein gutes Foto zu bekommen. Fast ein Jahr später gelang es mir dann aber doch, ein Odinshühnchen gut zu fotografieren. Es wurde bei mir im Nachbargebiet von Ornithologen gemeldet und ich machte mich auf, es zu suchen. Als ich den kleinen Vogel schließlich entdecken konnte, fand ich einen Weg, mich anzupirschen, ohne dass es mich wahrnimmt. Mit meiner Canon EOS 7D Mark II habe ich eine hohe Serienbildgeschwindigkeit und dadurch von dem kleinen flinken Vogel am Ende mehr brauchbare Bilder. Mein Sigma 150-600mm S erlaubt es mir, auch aus etwas größerer Entfernung gute Aufnahmen von dem Vogel zu machen. Außerdem habe ich mit den Zoom etwas Spielraum und kann auch mal rauszoomen, um evtl. andere Limikolen mit auf das Bild drauf zu bekommen.
Ende 2016 / Anfang 2017 war die Zeit der arktischen Ausnahmegäste in Deutschland. Aufgrund starker Stürme zum Jahresende wurden einige Möwen der Arktis ins Binnenland abgetrieben und waren zum Teil an der deutschen Westküste zu sehen. Es begann mit einer Schwalbenmöwe bei mir im Gebiet. Diese recht unscheinbare Möwenart tritt nicht alljährlich in Deutschland auf und wenn, dann lockt sie Ornithologen und Fotografen aus dem ganzen Land an. Ich hatte das Glück, dass ich es von meiner Haustür nur wenige hundert Meter weit bis zur Möwe hatte und mich ihr dadurch 7 Tage lang widmen und verschiedenste Fotos von ihr machen konnte.
Am 30.12. geriet die Schwalbenmöwe jedoch schon fast in Vergessenheit, als eine Elfenbeinmöwe auf Hallig Hooge entdeckt wurde. Einen Tag später, am letzten Tag des Jahres, ging eine Sonderfahrt zur Hallig, mit 59 Leuten aus ganz Deutschland an Bord. Ich war natürlich dabei, denn bis zum Fähranleger waren es von meiner Unterkunft nur etwa 30 Meter Luftlinie und diese seltene Art wollte ich mir nicht entgehen lassen. Die Elfenbeinmöwe tritt nur extrem selten außerhalb der hocharktischen Packeiszone auf, wurde das letzte Mal 1997 in Deutschland gesehen und war damit erst der dritte belegte Nachweis für Deutschland überhaupt. Auf der Hallig waren wir zunächst eine Zeit lang mit der Suche der weißen Möwe beschäftigt, als sie plötzlich ein paar Meter neben mir in perfekter Fotodistanz landete. So konnte ich die vielleicht einzigen Elfenbeinmöwenfotos meines Lebens machen. Einen Monat später ging es dann nach St. Peter-Ording, wo ich auch noch die anderen beiden arktischen Möwen sehen konnte: die Eismöwe und die Polarmöwe. Zumindest von letzterer konnte ich auch formatfüllende Fotos machen.
Es müssen aber nicht nur Ausnahmegäste sein, die normalerweise gar nicht in Deutschland vorkommen. Es gibt auch Brutvogelarten, die sehr selten und daher schwer zu fotografieren sind. Ein Beispiel ist der Löffler. Er brütet in Deutschland nur an wenigen Stellen an der westlichen Nordseeküste. Bei mir im Gebiet haben sich im Sommer bis zu 250 Exemplare aufgehalten, die allerdings auch wieder nicht zu fotografieren waren. Wie so oft an der Nordsee sind die Entfernungen einfach zu groß. An einem nebeligen Tag im Herbst hatte ich dann das Glück, sechs sehr späte Nachzügler zu entdecken. Die anderen Löffler waren alle schon in Richtung Süden gezogen. Der Nebel sorgte für eine ganz besondere Stimmung und als dann noch die Kiebitze und Goldregenpfeifer im Hintergrund aufflogen, war der Moment perfekt. Ich konnte das Foto machen, welches bis heute meine Lieblingsaufnahme ist.
Gegen Ende meines Jahres waren einige Sichelstrandläufer und vereinzelt auch der ein oder andere Temminckstrandläufer im Gebiet. Zwei recht seltene Arten, die man nur zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten in Deutschland sehen kann. Um gute Fotos von den beiden Arten zu bekommen, suchte ich mir über einen längeren Zeitraum hinweg eine geeignete Stelle für einen Ansitz. Als ich schließlich einen Ort gefunden hatte, an dem man gut heran kommt und die Vögel ungestört auf Augenhöhe fotografieren kann, legte ich mich mehrere Abende in Folge an die Wasserkante und wartete im Abendlicht auf mein Glück. Mit ein bisschen Geduld und nach einiger Zeit gelang es mir, Fotos zu machen, auf dem sie im Abendlicht vor mir im Wasser stehen und groß genug drauf sind.
Weniger planbar waren dagegen die Sumpfohreulen. Ein gutes Bild von dieser meiner Lieblingseule zu machen, war schon länger ein Wunsch von mir. Der langsame, entspannte Flügelschlag und der intensive Blick faszinieren mich an dem Vogel. Doch um sie tagsüber aus guter Entfernung fotografieren zu können, gehört zweifellos etwas Glück dazu. Aber auch Geduld, ein gutes Auge und ein Gespür für mögliche Gebiete, um diese Eule sehen zu können, sind ausschlaggebend für gute Fotos. In den Wintermonaten hat man die größten Chancen darauf. Dann sind gerade in der Dämmerung viele Eulen unterwegs. Ich habe in meinem Gebiet sogar einmal 5 Sumpfohreulen zugleich gesehen. Im Januar ist es mir gelungen, mein erstes gutes Bild von einer zu machen. Ich bin mit einem Freund die Straße durch den Koog entlang gefahren, mit dem Ziel, eine Eismöwe zu sehen (was wir auch taten), da rief mein Freund am Steuer plötzlich „Eule!!”. Und tatsächlich flog gar nicht weit von unserem Auto entfernt eine Sumpfohreule über das Speicherbecken. Wir hielten am Rand der recht stark befahrenen Straße an, ließen die Fenster runter und den Motor laufen und überhörten das dauerhafte Hupen der vorbeifahrenden Autos. Das hat sich gelohnt, denn auch wenn aufgrund des schwindenden Lichts fast alle Bilder unscharf wurden, waren doch zwei oder drei ganz gute dabei, auf denen mich die Eule mit ihrem typischen Blick anstarrt. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich später im Jahr wieder, als ich alleine mit dem Auto unterwegs war und einen Weg im Koog auf und ab fuhr, die Kamera griffbereit und die Fenster offen. Es war Nachmittag, die Sonne schien und wenn ich mit irgendetwas nicht gerechnet hatte, dann mit einer Sumpfohreule. Ich entdeckte sie durch Zufall, als ich am Straßenrand hielt, um einen Silberreiher zu fotografieren. Ich hatte gerade ein paar Bilder im Kasten, da bemerkte ich die Eule, die gar nicht weit von der Straße entfernt mit dem Rücken zu mir saß. Ich hatte sie fast formatfüllend im Sucher und wartete darauf, dass sie ihren Kopf dreht. Das tat sie auch und ich machte das Foto, dass das vom Jahresanfang noch übertraf. Als sie schließlich aufflog, konnte ich auch noch ein Flugbild machen, auf dem die Eule mich in perfekter Pose mit einem Seitenblick im Visier hat.
Am letzten Tag meines freiwilligen Jahres war es mein Ziel, noch eine richtige Knaller-Art zu finden, sozusagen als krönenden Abschluss des Jahres. Und siehe da- es gelang mir!
Zugegeben mit einer großen Portion Glück, aber das gehört nunmal auch dazu. Nachdem ich am hellichten Tage einige Portraits eines Marderhunds machen konnte, entdeckte ich nämlich einen jungen Schwarzstorch- in Nordfriesland eine kleine Sensation. Allgemein schon recht selten in Deutschland zu sehen, ist er in Nordfriesland wohl am seltensten anzutreffen.
Wenn man seltene Vogelarten fotografieren will, muss man viel Zeit investieren. Man kann zwar auch auf Online Meldeportalen nachschauen, wo gerade welche seltenen Arten auftreten und diesen dann hinterherfahren, aber das ist keine große Challenge und weniger spannend, als selbst coole Arten zu finden. Ich habe beides gemacht. Die arktischen Möwen habe ich „getwitcht”, dass heißt, ich bin zu ihnen gefahren, ohne sie selbst entdeckt zu haben. Das habe ich aber nur bei seltenen Vögeln gemacht, die in meiner Nähe waren. Den Sichler zum Beispiel, oder den Schwarzstorch, habe ich selbst gefunden, was mich weiter motiviert hat, denn das waren Erfolgserlebnisse. Obwohl auch wenn immer ein bisschen Glück dazu gehört, ist meiner Erfahrung nach der Trick, möglichst viel Zeit in der Natur zu verbringen, denn je länger man draußen unterwegs ist, desto mehr sieht man. Also: Augen offen halten und jeden Vogel anschauen. Es könnte etwas Seltenes sein!
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Zu Thomas Hempelmann:
Mein Name ist Thomas Hempelmann und ich wurde 1998 in Kiel geboren. Seit 2012 ist die Fotografie, mit großem Schwerpunkt auf Naturfotografie, mein größtes Hobby. Ich war schon immer davon fasziniert und schließlich habe ich begonnen, mich selbst damit zu beschäftigen. Angefangen habe ich mit einer kleinen Kompaktkamera, aber die Ansprüche stiegen schnell, sodass ich mir bald meine erste Spiegelreflex von Sony zulegte. Inzwischen besteht mein Equipment größtenteils aus Canon- und Sigma-Ware und ich fotografiere mit Brennweiten von 8 bis 600 Millimetern. Ich habe mich auf Vögel spezialisiert, aber auch andere Tiere fotografiere ich sehr gerne. Nach meinem freiwilligen ökologischen Jahr im Hauke-Haien-Koog an der Nordsee habe ich nun mein Studium in Landschaftsökologie und Naturschutz in Greifswald begonnen. Mehr von Thomas findet ihr auf seiner Facebookseite.
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Ein tolles Erlebnis und sehr schön geschrieben auch die Bilder sind Top. Weiterhin viel Erfolg in der Natur.
Mit freundlichen Gruß Uwe Hennig