Allgemein gibt es ja den Tipp, nicht unbedingt in der prallen Mitagssonne zu fotografieren. Ich halte mich daran. Seit das einst prachtvolle Haupthaar seine jahrelange Abschiedstournee begonnen hat, ist es wenig ratsam für mich, allzu lange in der Sonne zu verweilen. Und wenn man gescheit fotografieren will, braucht es halt seine Zeit. Gut, es gibt Mützen. Auch Hüte und sogar Piratentücher. Hab ich auch alles. Aber darunter schwitzt man nicht unerheblich. Nun ist es aber nicht die Fähigkeit der Mittagssonne, die Kopfhaut zu röten und den Schweiß aus den Poren zu treiben, die allein gegen das fotografieren in ihr spricht. Vielmehr vermag sie auch die sattesten Farben auszubleichen und oft unschöne Überstrahlungen auf den Motiven zu verursachen. Und so ließ ich bei meinem letzten Besuch im Kaiserstuhl die Kamera zunächst auch im Fotorucksack. Ich sah mir all die schönen Motive an, die sich rechts und links des Weges für die Abendstunden, und freilich auch für die Zeit am Morgen, anboten.
Auf den ersten Blick wirkt die Lichtsituation nicht einladend.
Nur habe ich das Rote Waldvögelein aber noch nie so prachtvoll gesehen, und so verspürte ich doch eine gewisse Unruhe in mir. Also was soll`s. Wozu warten. Im nächsten Moment lag ich vor den Blüten. Es standen ja ausreichend viele Exemplare im leichten Schatten der Bäume, wo es sich auch von der Hitze her aushalten liess. Natürlich habe ich auch schon zuvor Motive im Schatten fotografiert, während der Hintergrund beleuchtet war. Aber dann doch zumeist in den Tagesstunden, die ein warmes Licht erzeugen. Nun aber, zur besten Mittagszeit, war ich überrascht, wie angenehm die Bildwirkung wurde. Natürlich sind keine knalligen Farben zu erwarten gewesen, aber gerade das zurückgenommene, pastellige im Sucher gefiel mir.
Die Farben des Hintergrundes sind in ihrer Tönung sehr angenehm, und da das Hauptmotiv im Schatten nicht zu überstrahlen droht, war ein Versuch sinnvoll.
Wenn bestimmte Motive noch in greuslichem Licht stehen,, kann man einfach warten, bis die Sonne weiterwandert und sich ein Schattenwurf auf das gewünschte Motiv ergibt. Außer Eis essen kann es keine wirklich sinnvolle andere Beschäftigung bei 30 Grad Celsius im Kaiserstuhl geben, als im Schatten auf dem Boden liegend auf auf bessere Fotobedingungen zu warten. Und sofern ausreichend Bäume um einen herum stehen, werden diese Bedingungen kommen.
Selbst wenn der Hintergrund einen hohen “Himmel-Anteil” hat und sehr hell wird, harmoniert das meiner Meinung nach mit der Gesamtsituation.
Gewiß muß man den Bildstil mögen und Lichtreflexe, weiche Unschärfen etc. nicht vorab als Klamauk verdammen, um mit diesen Elementen arbeiten zu wollen.
Wenn sich der Schatten nicht von selber einstellt, kann man ihn auch produzieren. Hat man kein professionelles Hilfsmittel wie Seidentuch und Reflektorschirm dabei, genügt auch der Fotorucksack, ein T-Shirt oder ein Körper. Das kann dann der Fotokollege sein, was mal wieder für das heute ja häufiger als früher praktizierte Teamwork spricht. Ist man allein unterwegs, kann man mittels Selbstauslöser auch gut eben allein klar kommen. Dazu misst man die Belichtung im Schatten, schwenkt auf das Motiv, drückt den Selbstauslöser und hüpft der Sonne in die Parade. Fertig ist das Bild. Für die markant gezeichnete Blütenlippe der Bienenragwurz ist der Schatten sehr vorteilhaft. Das aber das Umgebungslicht während der Mittagszeit allgemein sehr hoch und intensiv ist, nutzt uns ebenfalls, da wir einfach mit praktikableren Belichtungswerten arbeiten können. Es verwackelt eben eine 1/125s nicht so schnell wie eine 1/15s.
Das intensive Licht kann aber auch direkt als Hintergrund genutzt werden und nicht etwa nur, wenn es das Laub der Bäume farbig bzw. pastellfarben durchleuchtet. Belichtet man gezielt über, wird der Himmel rein weiß. Er überstrahlt. Das sollten wir eigentlich nach landläufigen Regeln vermeiden. Aber sieht so nicht der Sommer aus? Strahlend und hell? Und da Weiß durchaus elegant auszusehen vermag, habe ich in letzter Zeit gefallen daran gefunden, Weiß in meine Bilder einzubauen. Die Zeit am Kaiserstuhl hat mich mal wieder darin bestätigt. Es ergibt freilich Sinn, in Momenten eines langweilig milchiggrauen Himmels etwa den Grauverlaufsfilter einzusetzen. Es ergibt aber ebenso Sinn, ihn bei wirklich intensivem Licht auch mal wegzulassen und das eigene Bild einmal der Strahlung auszusetzen. Zumindest verlängert es mir die tatsächliche Fotografierzeit.
Aufgrund der starken Überbelichtung werden die Pyramidenorchis im Vordergrund schön leuchtend.
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