Kegelrobben sind keine Kuscheltiere – Unterwasserfotografie ist kein Ponyhof!

Ein Beitrag von Robert Marc Lehmann Im Juli 2014 war ich mit meinem Team von Submaris auf Helgoland unterwegs um eine Reportage („Die Tauch-Profis“) für das ZDF zu drehen. Ich bin einer der Tauch-Profis und der Kameramann und Fotograf für die Reportage.

Kegelrobben_Helgoland_2014_Robert_Marc_Lehmann_robert@nosebrokeproductions.com 022 Wir untersuchten das U-Boot UC-71, fanden unbekannte Kanonen vor Helgoland und fotografierten natürlich die Kegelrobben – mein Lieblingsthema… Die Tauch-Profis auf Helgoland Kegelrobben Typische Szenerie auf Helgoland: Leuchtturm und Vogelfelsen Kegelrobben Bekannt ist Helgoland vor allem durch seine Basstölpel-Kolonie Kegelrobben Kegelrobben_Helgoland_2014_Robert_Marc_Lehmann_robert@nosebrokeproductions.com 023 Alles auf Helgoland ist stark vom Wetter und den Tiden abhängig. Außerdem darf man nur als Forschungstaucher oder mit Sondergenehmigung überhaupt in den Gewässern vor Helgoland tauchen. Nach vielen spannenden Tauchgängen am U-Boot und den Kanonen gab es endlich einen günstigen Zeitpunkt um zu den Kegelrobben zu fahren. Wir näherten uns ganz langsam mit unserem Boot an eine große Gruppe von etwa 70-80 Tieren, die munter vor der Düne im Wasser herumtollten. Bei der Annäherung an Meeressäuger ist extreme Vorsicht und Respekt den Tieren gegenüber geboten. Wir arbeiten seit Jahren mit den Kegelrobben und Seehunden vor Helgoland und sie kennen unser Boot ganz genau und haben absolut keine Scheu. Einige der Tiere blieben teilnahmslos auf großen Steinen liegen, die etwa bis auf 10-20cm unter der Wasseroberfläche hervorragen – kein einfaches Revier für unseren Skipper. Kegelrobben Kegelrobbenbulle (links) und ein Weibchen (rechts) Wir haben uns dann ins Wasser begeben und waren sofort umringt von dutzenden Kegelrobben, die neugierig uns und die Kameras begutachteten. Die erste Annäherung einer Kegelrobbe ist meistens ein Kuss oder Stups mit der Schnauze auf unsere Tauchmaske oder den Dome-Port des Kameragehäuses – Eine typische Begrüßung unter Robben. (Dome-Port = Glaskuppel rund um das Objektiv am Unterwassergehäuse) Kegelrobben Auf Helgoland herrschen extrem starke Strömungen, vor allem bei Tidenwechsel und so drifteten wir entlang der Strömungskante durch riesige Kelpwälder umringt von neugierigen Robben. Einige der Tiere kamen dabei ganz dicht an uns heran. Jedes Tier hat einen eigenen Charakter und manche sind extrem neugierig, andere scheu. Eines steht jedoch fest: Die Weibchen sind deutlich neugieriger als die Männchen. Aus biologischer Sicht macht das auch Sinn, denn wir könnten Konkurrenten sein und ein Kegelrobbenbulle versucht Verletzungen und möglichen Konfrontationen außerhalb der Paarungszeit (im Winter) immer aus dem Weg zu gehen. Kegelrobben_Helgoland_2014_Robert_Marc_Lehmann_robert@nosebrokeproductions.com 024 Die Robben lieben unsere Strömungsleine mit Auftriebskörper! Kegelrobben Kegelrobben Oft beißen die Robben in die Flossen der Taucher, manchmal versuchen sie auch die Flossen zu stehlen…Für ungeübte Personen sicherlich etwas beängstigend. Kegelrobben Kegelrobben Robbe im dichten Kelpwald vor Helgoland. Forscher gehen davon aus, dass Kegelrobben und Seehunde die jodhaltigen Braunalgen auch zur Wundheilung verwenden. Kegelrobben jagen eigentlich Fisch, doch neueste Erkenntnisse zeigen: Deutschlands größtes Raubtier hat auch Schweinswale und Seehunde auf dem Speiseplan. Kegelrobben Kegelrobben Eine der Kegelrobben, ein Weibchen, blieb völlig unbeeindruckt vom Treiben um sie herum auf einem der großen Unterwassersteine liegen und es wirkte fast so, also wolle sie den Sonnenuntergang genießen…Ich habe mich dann über eine Stunde an das Tier angenähert, da ich es auf keinen Fall von seinem Rastplatz vertreiben wollte. So wie die Kegelrobbe da mitten im Meer auf einem Stein lag, ergab das ganze ein sehr surreales Bild. Es wirkte fast, als schwebe die Robbe auf dem Wasser. Die Robbe zeigte sich von mir völlig unbeeindruckt und schlief sogar die meiste Zeit, während ich sie fotografierte. Neugierig beschnupperte sie ab und zu die Kamera und schlief einfach weiter. Ich hatte enorme Probleme mich im glitschigen Kelpwald und der extrem starken Strömung ruhig zu bewegen. Dazu kam das 14 Grad kalte Wasser, welches nach 2 Stunden wirklich jeden Winkel meines Körpers ausgekühlt hatte. Aber eine so fantastische Situation wollte ich nicht einfach aufgeben, nur weil mir furchtbar kalt war… Außerdem stieg das Wasser von Minute zu Minute und es war nur eine Frage der Zeit bis die Robbe vom Stein gespült werden würde. Ich konnte für mich traumhafte Bilder von diesem sehr toleranten Weibchen machen und es wirkte fast so, als fand sie auch ein wenig Gefallen daran. Es war mir besonders wichtig das Tier absolut nicht zu stören und ich gehe sowieso niemals über die Toleranzgrenze eines Tieres hinaus. Bei der kleinsten Verhaltensänderung würde ich mich sofort zurückziehen. Ein Glück ließ sie mich einfach machen…Da kam mir meine jahrelange Arbeit mit über 10 Robbenspezies rund um den Globus wohl zu gute. Schon Jacques Cousteau sagte einst: Wenn man Fische studieren möchte, muss man selbst zum Fisch werden.“ In meinem Fall eben zur Robbe. Kegelrobben Über eine Stunde dauerte die respektvolle Annäherung an diese Robbe. Die Belohnung: Die Robbe duldete den Fotografen in absoluter Nähe für ein paar Schnappschüsse. Dieser hatte allerdings mit der starken Strömung und der Kälte zu kämpfen… Kegelrobben_Helgoland_2014_Robert_Marc_Lehmann_robert@nosebrokeproductions.com 025 Kegelrobben Robert Marc Lehmann mit Kegelrobbe mitten in der Nordsee vor Helgoland – Wildlife selfie… Kegelrobben Kegelrobben_Helgoland_2014_Robert_Marc_Lehmann_robert@nosebrokeproductions.com 021 Völlig fertig und unterkühlt, aber extrem glücklich über das Erlebnis und die Aufnahmen Ich hoffe ich werde noch viele solche Situationen dokumentieren können und meine Leidenschaft mit möglichst vielen Menschen teilen. Denn nur das was man liebt, schützt man auch… Kegelrobben faszinieren mich schon mein ganzes Leben und obwohl ich schon dutzende Male und viele Stunden mit ihnen im Wasser verbracht habe, überraschen sie mich immer wieder. Und das nicht nur  wenn sie einen in ihren Bann ziehen und eine zweite Robbe versucht meine Apnoeflossen zu rauben… An dieser Stelle sei auch mal meinem Team von Submaris gedankt! Ohne die Unterstützung der Jungs wären solche Bilder einfach nicht möglich! Kegelrobben Kegelrobben Kegelrobben FAKTEN ZUR KEGELROBBE (Halichoerus grypus)

  • mit bis zu 300kg Deutschlands größtes Raubtier
  • Name aufgrund der Zahnform, nicht des Kopfes
  • Männchen: dunkel mit hellen Flecken
  • Weibchen: hell mit dunklen Flecken
  • seit 2001 auf Helgoland heimisch, seitdem Anzahl der Tiere verdreifacht
  • früher häufig auch in der Ostsee, dann nahezu ausgerottet von Fischern, Bestand kommt aber langsam zurück
  • weniger Kegelrobben als Seehunde in der Ost- und Nordsee
  • 20 min. Tauchgänge bis zu 140m Tiefe, eigentlich Fischfresser bis zu 10kg pro Tag, neueste Beobachtung: Schweinswale und Seehunde – zu wenig Fische übrig???
  • mit 4-5 J. geschlechtsreif, 11,5 Monate Tragzeit, Paarung im Winter, Lebenserwartung 20-45 J.
  • 100.000 Kegler im östlichen Atlantik, 40% davon in Großbritannien
  • IUCN Status: nicht gefährdet – in Deutschland jedoch sehr gefährdet!
  • etwa 20.000 – 30.000 Tiere in Ostsee

WICHTIGE PUNKTE!

  • Es ist ein Raubtier, kein Kuscheltier!
  • Respektvoller Abstand unbedingt einzuhalten!
  • Die Fotos entstanden nach jahrelanger Arbeit des Fotografen und seines Teams mit den Tieren und immer im respektvollem Umgang und teilweise stundenlanger Annäherung in Tarnanzügen, Liegen auf dem Meeresgrund für Minuten und Warten, dass sich die Tiere annähern. Die Tiere kennen das Boot, nicht in das Gesicht der Robbe blitzen, etc…
  • Kegelrobben-Bisse sind extrem schmerzhaft und langwierig im Heilungsprozess, da Fischfresser mit vielen Bakterien im Maul
  • Die in den Medien dargestellte Killer-Robbe existiert nicht! Ein Wolf ist auch kein Killer-Wolf nur weil er ein Reh frisst. Es sind nun mal echte Raubtiere
  • Gesunden Menschenverstand benutzen wenn man mit diesen Tieren interagiert. Das sind 300kg Raubtier mit einem Bärengebiss…Man geht ja auch nicht in ein Löwenrudel und setzt sich daneben und schaut was passiert…Zumindest nicht jeder 😉

AUSRÜSTUNG

  • Canon EOS 5D Mark III im UK-Germany Aluminium Unterwassergehäuse
  • Canon 16-35mm 2.8 L II & Sigma 15mm 2.8 Fisheye
  • 2x Subtronic Fusion Blitz, manuell

Weitere Infos auf: www.robertmarclehmann.de Für Interessierte gibt es hier auch noch ein Interview mit GEO.de Der Beitrag über die Tauchprofis ist auch noch in der ZDF Mediathek verfügbar.

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