Meine erste Begegnung mit Gänsesägern hatte ich vor über 10 Jahren an der Ostsee. Damals war ich mit meiner ersten Kompaktkamera am Strand unterwegs und knipste die “komisch aussehenden Enten” einfach mal mit. Nachdem ich Jahre später realisiert hatte was es für eine Chance war, ärgerte ich mich lange Zeit, dass ich sie nicht wiederholen konnte. Aufgewachsen im östlichen Niedersachsen kannte ich Gänsesäger anschließend nur noch als Wintergäste auf größeren Seen oder von einem Besuch an der Elbe. Die enormen Fluchtdistanzen ließen geeignete Fotos aber beinahe utopisch erscheinen.
Im Herbst 2013 wendete sich das Blatt allerdings, als ich wegen meines Masterstudiums nach Süddeutschland zog. Die Bestände der Gänsesäger in Europa wurden Anfang des letzten Jahrhunderts stark dezimiert, weil er als Nahrungskonkurrent des Menschen wahrgenommen wurde. Ein Gänsesäger frisst am Tag in etwa 300g Fisch, woraufhin sie stark bejagt wurden. Im Jahre 1970 wurde jedoch ein Jagdverbot erlassen und die Bestände erholten sich zunehmend. Mittlerweile leben wieder mehrere hundert Brutpaare in Deutschland, von denen der Großteil in Bayern brütet. Die voralpinen Seen bieten ihnen gute Lebensbedingungen. Trotzdem wird er in der Roten Liste Deutschlands noch als gefährdet eingestuft. Obwohl Gänsesäger zu den Entenvögeln zählen, führen sie ihre Bruten in Baumhöhlen durch. Alte Bäume mit geeigneten Höhlen werden in Deutschland leider häufig entfernt, weshalb die Gänsesäger ein ähnliches Schicksal trifft wie viele andere Tierarten, die auf Höhlen und stehendes Totholz angewiesen sind. Der Lebensraum würde passen, aber die Nistmöglichkeiten sind limitiert. So bleiben viele Gewässer unbesiedelt.
Zurück zum Gänsesäger als Fotomotiv. Im Oktober 2013 traf ich bei einer Fototour auf eine Gruppe Gänsesäger. Auf allen Vieren robbte ich an sie heran, um sie bloß nicht zu verschrecken. Nach und nach konnte ich mich ihnen nähern und endlich einige Bilder dieser tollen Art machen, während sie am Gewässerrand rasteten. Dahinter spiegelte sich das sonnenbeschienene Herbstlaub auf der Wasseroberfläche und zauberte farbenfrohe Herbstbilder.
Natürlich war nun das Interesse an der Art erneut geweckt und ich sah auch im Winter regelmäßig an einigen Seen und der Isar nach, was die Säger so treiben. Finden konnte ich sie eigentlich immer, aber um sich ihnen bis auf Fotoentfernung zu nähern war häufig Fingerspitzengefühl gefragt. Besonders schön war es als ich aus sicherer Deckung sogar das Balzverhalten und eine Paarung der Gänsesäger fotografieren konnte. Das Männchen schwimmt bei der Balz aufgeregt hin und her, streckt den Kopf und schüttelt den Körper. Das Weibchen fordert das Männchen anschließend durch eine gestreckte Haltung auf dem Wasser zur Paarung auf.
Im Frühjahr macht das Weibchen eine geeignete Baumhöhle ausfindig, indem es die Bäume in Ufernähe abfliegt. Nisthilfen oder hohle Baumwurzeln nehmen sie auch gerne als Brutplätze an. Ab April legt das Weibchen dann zwischen 7 und 14 cremefarbene Eier, die sie gut einen Monat lang bebrütet. Etwa ein Tag nach dem Schlupf springen die Jungen mit gespreizten Flügeln und Füßen aus der Baumhöhle. Da sie nur wenige Gramm wiegen verkraften sie diesen Sprung unversehrt und laufen anschließend in Richtung Wasser. Aus diesem Grund war ich natürlich Anfang Mai wieder an der Stelle, wo ich im März bereits die Paarung fotografieren konnte. Und siehe da! Ich konnte ein Weibchen mit 3 Jungtieren ausfindig machen, die leider schon einige Tage alt waren. Gänsesäger haben die besondere Eigenschaft, dass sie ihre Jungen eine kurze Zeitspanne nach dem Schlupf auf dem Rücken transportieren. Dieses Weibchen hat es leider nicht mehr toleriert und die Jungen mussten eigenständig schwimmen.
Wie es der Zufall manchmal so will bekam ich einige Tage später eine Nachricht von einem Freund, dass noch ein zweites Weibchen in der Gegend Nachwuchs hat. Ich schnappte mit sofort meinen Fotorucksack und machte mich auf den Weg zu der besagten Stelle. Diese Jungen waren vermutlich erst ein oder zwei Tage alt und wurden noch fleißig auf dem Rücken transportiert. Zudem kam noch hinzu, dass dieses Weibchen nicht nur drei, sondern elf Junge bei sich führte. So kam ich doch noch zu den gewünschten Aufnahmen der jungen Familie. Die Freude darüber war natürlich dementsprechend groß.
Während des Sommers konnte ich an mehreren Stellen immer wieder Trupps von halbstarken Jungvögeln beobachten. Meistens schwammen sie aber relativ weit draußen und boten kein sonderlich attraktives Motiv. Ich genieße es trotzdem immer wieder bei meinen Touren die Gänsesäger als alltäglichen Begleiter wahrzunehmen.
Im Herbst letzten Jahres kam ich noch einmal an die Stelle des besagten Gänsesägerpaares, das ich bereits des Öfteren fotografieren konnte. Im Dickicht eines Waldstücks konnte ich eine Gruppe Gänsesäger ausmachen, die glücklicherweise sogar langsam in meine Richtung schwammen. Ich positionierte mich gut, um sie mit der Kamera abzufangen. Es waren acht Jungvögel, die zu stattlichen Gänsesägern herangewachsen waren. Da es exakt an derselben Stelle war, gehe ich davon aus, dass es sich um die Jungtiere aus dem Mai handeln musste.
Sie kamen bis ins Licht an der Waldkante geschwommen, während sich im Wasser der finstere Schatten der dichten Buchen spiegelte. Dort stoppten sie, weil die das Klicken meiner Kamera wahrgenommen hatten. Ich war froh zu sehen, wie prächtig sich der Großteil entwickelt hatte und bin zuversichtlich, dass sie diesen milden Winter auch gut überstehen werden.
Jan Piecha (https://www.facebook.com/Janpiechaphoto )
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Hallo Jan,
Was für ein lustiger Titel “Taxi fahren bei Mama”. Deine Bilder haben eine sehr schöne und harmonische Stimmung!
Ich hatte auch schon öfter das Vergnügen diese tollen Tiere Fotografieren zu dürfen.
LG, Werner