Machen wir die richtigen Bilder?

Natürlich möchten wir unsere kostbare Zeit mit schönen Dingen füllen. Das gilt auch in der Naturfotografie. Werden wir damit der Sache aber gerecht?

Wer wie ich im Ruhrbiet groß wird, hat die Fähigkeit, unschönes auszublenden. Und jedes noch so kleine ästhetische Geschenk wahrzunehmen. Gleichzeitig haben wir, also zumindest die Naturfotografen unter uns Ruhrpöttlern, auch den großen Wunsch, das Gesehene aufzuhübschen oder den Fokus doch sehr auf das vermeintlich Hübsche zu lenken. Wozu all den Unrat, Beton und Straßenlärm auf ein Bild bannen, wenn er uns doch alltäglich umgibt.

Natürlich wäre es gelogen zu sagen, dass es nicht auch manchmal Spaß macht, sich genau diesen fotografischen und regional-geografischen Themen zu widmen. Eine Industrieanlage am Abend, wundervoll illuminiert und mit farbigen Rauchfahnen geschmückt, kann auf einem Bild schon was hermachen. Mit der Langzeitbelichtung holt man noch einmal zusätzlich was aus der Szene heraus. An windstillen Abenden kann man sogar Spiegelungen auf Rhein oder Kanal einbauen und bekommt schön gerade aufsteigende Rauchsäulen. Bei Wind widerrum verteilt sich der Rauch unter Umständen farbig über das ganze Bild, was einen dynamischen Eindruck hervorufen kann.

Sogar an solchen Orten sucht man noch nach etwas Ansehnlichem. Ist ja ein Biotop.

Aber als Naturfotograf und naturaffiner Mensch ist man anderen Motiven erheblich öfter auf der Spur. Und muss sie gar nicht mal solange suchen. Schon auf einer alten Halde, inmitten eines regen Industriegebietes in direkter, hörbarer Nachbarschaft der A2, kann man fündig werden. Und wie! Da wachsen Pilze, laufen Rehe herum und leuchtet im Herbst einer der schönsten Birkenhaine, den ich kenne. Und da eine Halde erhöht ist, bekommt man zumeist einen ruhigen Hintergrund und schönes Licht. Von all den unliebsamen, das Naturerlebnis einschränkenden Kunstlichtern, Dächern usw. wird man nicht gestört und bekommt sie nicht ins das Bild.

Der Herbst. Egal wo. Farben satt. Aber ist es wirklich egal wo?

Die leuchtenden Blätter nehmen mich immer gefangen. Auch wenn ich es mir einmal vornehme, ich bringe es nicht übers Herz, sie einmal so zu zeigen, wie sie tatsächlich da sind. Eben als kleine Insel der Glückseligkeit im (wenn auch notgedrungen notwendigen) Abscheulichen. Ebenso verfahre ich bei den Tieren auf den Halden und Industriebrachen. Zumindest zumeist. Ödlandschrecke und Laufkäfer sind einfach immer wieder zu spannend, als sie in einem Bild mit Stahlkonstruktionen zusammen zu bringen. Aber damit nicht genug. Im Wald, wo dann auch tatsächlich Natur vorherrscht, fang ich schon mal an, aus purem Spaß und Spieltrieb zu tricksen.

Wenn spektakuläres Licht fehlt, bastelt man sich eben seine Flairs selber.

Ganz ehrlich. Ein bißchen Tricksen und Spielen sollte man sich auch nicht nehmen lassen. Draußen zu sein und Spaß daran haben geht auf vielerlei Weise. Im letzten Jahr habe ich an dieser Stelle kein Bild gemacht, weil die Buschwindröschen aufgrund der Trockenheit kaum blühten. Ein grüner Teppich bringt es fotografisch nicht. Aber wäre so eine Aufnahme nicht dennoch wichtig gewesen? Könnte man zu ihr nicht mehr schreiben und sagen als zu einem ästhetisch umwerfenden Blütenbild?

Diese Ameise war zu langsam und ich bei über 30 Grad beinahe auch

Dies ist aber nur eine der unzähligen von mir vertanen Chancen. Am Rhein passiert mir das eigentlich jeden Tag, den ich dort verbringe. An seinem Ufer befinden sich einige Kraftwerke und auf ihm schippern soviele Frachtkähne in drei Minuten vorbei, wie auf der Elbe bei Gorleben am ganzen Tag. Dennoch finden sie sich in meinen Bildern höchst selten wieder. Was auch verständlich ist. Ich möchte was Schönes fotografieren, und das sind für mich halt Turmfalke und Möwen. Und wofür hat man denn 500mm, wenn man sich damit nicht die Rosinen herauspicken darf ?

Die Möwen erfreuen sich an den Schwebeteilchen aus der Emscher, die bei Dinslaken in den Rhein fliesst. Und ich mich an dem Licht in ihren Flügeln.
Mahlzeit

Wie die meisten bin ich fasziniert von etwas spektakulärem, seltenen und von stimmungsvollen Momenten in der Natur. Ohne es bewusst zu merken, folge ich diesen Reizen beim Fotografieren und lass anderes dabei schon mal unbeachtet liegen. Es gäbe auch keinen Grund, sich da mal Gedanken drüber zu machen, wenn nicht die Natur um uns herum irgendwie immer weniger werden würde. Obwohl wir so kreative und technisch brillante Bilder wie nie zuvor machen und publizieren, scheint der Negativtrend bei der Artenvielfalt ungebrochen.

Immer noch schaffen es manche Arten, etwa ein Bauvorhaben kurz zu unterbrechen und für überraschte Bauherren zu sorgen. Und die Tage gab es eine TV-Sendung zu der Frage, ob in unserem Land durch Naturschutzauflagen zuviel blockiert wird. Da wurde sehr schön deutlich, dass die Natur in den Planungsverfahren sehr theoretisch vorkommt und im Vorfeld meist nicht wirklich bedacht wird. Hätte man vor Baubeginn an die Kreuzkröten gedacht und diese in die Planung integriert, müsste der Bau nicht pausieren. Und immer noch wird eine neu zu bauende Strasse erst einmal durch ein NSG oder eine naturnahe Fläche konzipiert anstatt von vornherein durch ein Maisfeld. Anhand solcher Dinge merkt man leider auch, dass wir Naturfotografen unserem hehrem Ziel, auf die Belange der Natur aufmerksam machen zu wollen, noch nicht wirklich erfolgreich nachgekommen sind.

Ich war natürlich glücklich, überhaupt einmal eine Bekassine so vor die Linse zu bekommen. Der Grund dafür, dass dies heute etwas so besonderes ist, wird in dem Bild nicht deutlich.
Pusteblumen sind eines meiner Lieblingsmotive. Und das Ergebnis zu hohen Düngereintrags.

Vielleicht sind Bilder grundsätzlich auch zu stumm. Ihnen stehen lautstarke Lobbyisten und Meinungsmacher gegenüber, die im Naturschutz eine immense Gefahr für den Wohlstand sehen. Vielleicht sollten sich Naturfotografen wieder dazu durchringen, mehr zu sprechen. Zu ihren Bildern. Und ohne Bilder. Denn sie haben was zu sagen, erleben sie doch tagtäglich, was draußen geschieht. Und vielleicht sollten wir uns auch ab und an mal dazu durchringen, nicht nur das Schöne zu fotografieren. Die Gefahr ist schon da, uns selber und der Öffentlichkeit ein Bild zu suggerieren, dass es doch eigentlich alles ganz wunderbar ist. Ich werde mich schwer tun, das weiß ich, und es wird mir auch nicht gleich morgen gelingen, auch mal nach anderen Bildern Ausschau zu halten. Aber vielleicht ist es einen Versuch mal wert. Oder was meint ihr / meinen Sie ?

Markus Botzek
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