Still ruht der See

Vor kurzem hatte ich in Berchtesgaden zu tun und wollte die Zeit auch nutzen, das ein oder andere Bild zu machen. Nach dem Gewitter schien mir die richtige Zeit dafür.Das Gewitter war kurz und für ein Alpengewitter kam es auch ohne sonderlich beeindruckenden Radau aus. Dafür regnete es ausgiebig und die Temeperatur fiel merklich. Eigentlich alles gut, nur hatte ich leider erst etwas spät Zeit, um diese Wettersituation fotogafisch vielleicht nutzen zu können. Obwohl vom Königssee her wundervoll große Nebelschwaden heranzogen, fuhr ich durch das Städtchen Berchtesgaden und den Ort Ramsau bis zum Hintersee. Als ich ankam, war ich ein wenig enttäuscht, da sich hier nicht ganz so viel Nebel gebildet hatte wie am Königssee. Was wahrscheinlich aber auch zu erwarten war. Aber manchmal bildet man sich etwas ein, hat da so sein Bild im Kopf, und ist dann enttäuscht, obwohl alle Naturgesetze von Anfang an ohnehin dagegen sprachen.

Ein erster Blick vom Weg.
Mein Versuch an dem typischen Motiv hier am See.

Dennoch war ich jetzt hier und musste also sehen, was die Atmosphäre am See noch so hergeben könnte. Natürlich zog es mich fast automatisch an den Uferabschnitt, von dem aus man die beiden bekannten Inselchen im See ablichten kann. Ich hab den Eindruck, dass man da manchmal wie ferngesteuert agiert. Muss aber auch nicht schlimm sein. Denn es ist immer wieder nett mit diesem Motiv. Und wer wie ich bei den bisherigen Besuchen nur wolkenfreien Himmel und harten Sonnenschein geboten bekam, der ist auch über bißchen Nebel schon aus dem Häuschen.

Es wird immer dunkler. Vorsicht, im rechten Bildteil können einige Hotels in Erscheinung treten.

Aber wie schon gesagt, ich war spät am See. Und das nicht nur für den Nebel, der direkt nach dem Regen vielleicht üppiger war, sondern auch für das Licht ganz allgemein. Es wurde nämlich bald dunkel. Schon hoben sich die Inseln nicht mehr wirklich gut von der sie umgebenden, dunklen Wasseroberfläche und dem Hintergrund ab, sodass ich daran dachte, einzupacken. Mir fiel dann aber die Stille auf, was ich einem rufenden Kauz zu verdanken hatte. Der Dunst und die Dunkelheit begannen nun gemeinsam, die Umgebung zunehmend zu überdecken. Die Konturen der Bäume verschwammen zusehends mit dem Himmel oder den Bergen, und auch die Häuser verschwanden. Aber nur kurz, denn durch ihre Lichter traten sie alsbald noch deutlicher als zuvor wieder in Erscheinung. Interessant zu sehen, wo überall Menschen wohnen oder wo man vielleicht mal auf einer Berghütte übernachten könnte, wenn man da rauf käme. Aber im Bild wollte ich möglichst kein künstliches Licht haben.

Lässt man die Inseln mal Inseln sein, hat der See auch noch andere Motive zu bieten.
Ausschnitte schienen mir ein probates Mittel, nach für mich neuen Bildideen zu suchen.

Eigentlich störe ich mich ja nicht so sehr an Bildelementen, die auf den Menschen hindeuten. Kommt halt auf das Motiv an. Hier und jetzt gefiel mir, wie die Dunkelheit die Landschaft abstrahierte und mir Einsamkeit und Stille vorgaukelte. Diese Täuschung wollte ich für mich in den Bildern beibehalten. Und das versuchte ich zunächst über Ausschnitte zu erreichen. Der Ausschnitt den wir wählen, ist ja schon eine gute Möglichkeit, eine Abstraktion zu erzielen. Und tatsächlich war mein Frust, nicht wirklich lange und ausgiebig mit den beiden Hauptdarstellern hier am Hintersee, den beide Inseln, gearbeitet zu haben, rasch verschwunden. Denn ich hatte einen neuen Aspekt gefunden. Denn See und die Nacht. Das hätte ich zuvor nie und nimmer in Erwägung gezogen. Zu dominant war die Vorstellung, die ich von dem See hatte. Spannend, wie doch zuvor gesehene Bilder Einfluss nehmen und ein Motiv vorgeben können.

Hätte nicht gedacht, dass das Düstere so viel Spaß machen kann.
Nicht jedes Kunstlicht lässt sich vermeiden.

Natürlich kann sich die Illusion des Alleinseins an diesem Ort nicht konsequent aufrecht erhalten. Hier hört man eine Stimme, da fährt am gegenüberliegenden Ufer ein Auto vorbei. Muss man halt ausklammern. Zur Illusion gehört immer auch ein bißchen Selbstbetrug. Schadet ja nicht, wenn man auf diese Weise etwas zu fotografieren hat, anstatt im Zimmer rumzuhängen. Ein durchfahrenden Wagen machte sich sogar als Beleuchter nützlich.

Obwohl man kaum noch etwas im Sucher sehen kann, macht die Kamera noch ein Bild draus.
Mit der richtigen inneren Stimmung ab ins Bett.

Wieder einmal stellte ich fest, dass man manchmal einfach länger bleiben muss. Ist wie im Kino. Da kommen im Nachspann manchmal noch richtig gute Szenen. In der Naturfotografie kommen dann manchmal halt Bilder zu dir, mit denen du gar nicht gerechnet hast. Und das kann genau so viel Freude bereiten, wie die geplante Idee umzusetzen oder das typische Bild mitzunehmen.

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