Trampend über den Ozean – nur ein Traum?
Das Boot schaukelt. Ich sitze ganz vorne auf der Bugspitze. Blicke nach vorne. Blaue, gewaltige, 3m hohe Wellen türmen sich vor mir auf. Unter mir geht es 3000m hinab in die Tiefe. Am Horizont erscheinen ein paar Wolken – mehr ist da nicht. Ich bin inmitten des Atlantischen Ozeans. Irgendwie durchfährt mich in diesem Augenblick ein unglaublich starkes Gefühl der Dankbarkeit. Vielleicht, weil ich doch nicht nur geträumt hatte?
Mainz, Ende 2015. Ich war in meinem letzten Schuljahr und fragte mich, was ich nach dem Abitur machen werde. Studieren? Kam nicht infrage. Südamerika entdecken? Das klang spannend. Doch “wie soll ich da ankommen?”, schoss es mir durch den Kopf. Ich bin noch nie geflogen und ich wollte es auch diesmal nicht tun. In 24 Stunden in einem komplett anderen Kontinent anzukommen, erschien mir falsch beziehungsweise einfach auch viel zu schnell. Ich fragte mich, was zwischen zwei solch unterschiedlichen Kontinenten liegen möge und wollte ganz langsam in Südamerika ankommen, die Distanz mal so richtig spüren. Ich musste nur noch eine Möglichkeit finden über diesen kleinen Teich ohne Flugzeug zu gelangen. „Wie blöd, dass es keine Brücke gibt“, dachte ich nur. Dann hatte ich einen Traum.
Am 4.Oktober 2016 brach ich auf. Gemeinsam mit 30kg Gepäck, einer Freundin und einem Pappschild, auf dem „Spain → Chile“ geschrieben steht, standen wir an der Raststätte bei Grünstadt. Es war noch früh, die Sonne ging gerade erst auf, doch meine Familie hatte ich bereits verabschiedet. Wir hielten den Daumen hoch, sprachen Autofahrer an und versuchten Richtung Spanien zu trampen.
10 Monate später schreibe ich diese Zeilen aus Ecuador. Das Pappschild habe ich noch immer, nur die Freundin fehlt. Ich bin in Südamerika angekommen. Langsam! So wie es mir gewünscht hatte. Mittlerweile zählt mein Tacho 140 Autos, 10 LKWs, vier Motorräder, einen Bus und sieben Segelboote, die mich als Tramper bis nach Ecuador gebracht haben. Ganze sieben Monate habe ich gebraucht, um in Kolumbien, dem Tor zum mysteriösen Kontinent Südamerika, anzukommen. Eine lange Zeit. Eine Zeit voller Abenteuer:
Bereits am dritten Tag der Reise sprangen wir bei Calpe/Spanien auf das erste Segelboot. Mit einem österreichischen Kapitän ging es nach Marokko und anschließend auf die Kanarischen Inseln. Dort begann dann die große Suche. Ein Boot zu finden, was dich 5000km weit mitnehmen soll, schien nicht leicht zu sein. Ich suchte drei Monate nahezu täglich in den Häfen der Inseln und fand in dieser Zeit einen neuen Reisegefährten, entdeckte die wunderschöne Natur Teneriffas und wurde von einem Kanarier eingeladen, in seinem Haus zu leben. Sechs Wochen blieb ich dort, bis ich ein Boot für die Transatlantiketappe gefunden hatte.
Mit zwei jungen Schweizern ging es dann weiter Richtung Südamerika. Wir schätzten, dass wir drei Wochen ununterbrochen auf dem Wasser unterwegs sein würden. Es stand uns also eine eigentlich sehr entspannte Zeit bevor.
Ich hörte viel Musik, las Bücher, schaute den Wellen zu, fotografierte & filmte, um einen neuen VLOG zu machen und vergaß dabei mal kurzerhand, dass Salzwasser der größte Feind der Kamera sei. Eine Welle schwappte über. Mir war die bodennahe Perspektive wichtig gewesen, wohl zu wichtig. Die Kamera blinkte noch dreimal auf, fast schon sarkastisch, dann verstummte sie. Ich auch. Das war nicht geplant. Ich packte die Canon 5DIII in einen Behälter mit Reis und wartete. Fünf Tage, dann probierte ich mein Glück. Wir waren noch immer inmitten des Atlantiks. Das Boot schwankte, ich zitterte. Ich schaltete die Kamera an und konnte es nicht fassen. Sie funktionierte! Meine 5DIII schien tatsächlich echt robust zu sein. Hut ab! Nach wenigen Tagen arbeitete sie wieder einwandfrei und ich konnte den Vollmond in Szene setzen. Ich war sprachlos, aber glücklich.
Tag 18 der Atlantiküberquerung. Wie aus dem Nichts erschien eine Insel am Horizont. Zunächst wirkte sie wie ein Punkt in der Ferne, dann wie eine Linie am Horizont und plötzlich konnten wir Palmen erkennen. „Karibik – wir sind da!“ Ein magisches Gefühl durchfuhr mich. Wir strandeten auf der Insel Guadeloupe.
Von nun an begann ein neues Kapitel meiner Reise. Ich würde zukünftig alleine reisen. Die 30kg Gesamtgepäck auf dem Rücken lasteten schwer. Doch das ist der Kompromiss eines Naturfotografen, wenn du auch noch völlig unabhängig reisen willst. Ich bewegte mich nun also noch langsamer als ich es eh schon tat. Wie gut, dass diese Insel so klein ist. Anderthalb Monate reiste ich per Anhalter oder auch zu Fuß um die Insel, schlief an einsamen Stränden zwischen Palmen in meiner Hängematte, tauchte das erste Mal mit Schildkröten und machte Bekanntschaft mit den tierischen Inselbewohnern. Eine wunderbare Zeit! Meine Reisekameraausrüstung besteht dabei aus einer Canon EOS 5D Mark III, einem Canon EF 300/4.0 L IS USM , einem Canon ef 17-40mm f/4 L USM und einem Canon ef 50mm f/1,8 STM. Zudem trage ich noch einen Canon Extender ef 1,4x II Telekonverter, ein leichtes Sirui-Stativ, Kabel- und Fernauslöser, ein kleines Mikrofon von Rode und diverse Filter mit mir. Das ist der Kompromiss, sodass sich die acht Kilogramm Fotoequipment noch tragen lassen und ich dennoch meine gewünschten Bilder verwirklichen kann.
Wie ich von den karibischen Inseln aus per Anhalter bis nach Ecuador gelangte, folgt im Teil 2 der Reihe „Per Anhalter von Deutschland nach Chile.“
Schau doch mal auf meinem brandneuen Blog vorbei: www.theoutdoorbrothers.de Nahezu alle zwei Wochen lade ich zudem kurze Videos meiner Reise bei Youtube hoch und alles Aktuelle erfährst du stets auf meiner Facebookseite! Verfolge mich auch auf Instagram, um mehr Bilder des Abenteuers zu sehen!
Joshi Nichell
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